Leiterin des Bundesverbands Lebensrecht und Organisatorin von "Marsch für das Leben"
Liebe Frau Linder, was genau ist der „Marsch für das Leben“, wie läuft er ab und seit wann gibt es ihn?
Alexandra Linder: Ursprünglich war es eine Form der Trauerkundgebung für die abgetriebenen Kinder, die ja kein Grab hatten, und ihre Angehörigen. Ab 2002 fand der Marsch zuerst alle zwei Jahre, seit 2008 findet er jedes Jahr statt. Inzwischen sind wir eine große pro-life-Veranstaltung mit Kundgebung, interessanten Gästen, guter Musik, Demonstration und für die, die noch bleiben wollen, ökumenischem Gottesdienst. Auf der Kundgebung reden Menschen, die von Abtreibung betroffen sind, Prominente, die sich zu ihrer pro-life-Haltung bekennen, bekannte Lebensrechtler etc., die Demonstration ist ein Schweigemarsch mit immer noch einigen Kreuzen, aber immer mehr Schildern mit Botschaften und bunten Luftballons.
Mein erster Marsch war glaube ich 2008? Ich bin seit 26 Jahren ehrenamtlich im Lebensrecht unterwegs und leite aktuell den Bundesverband Lebensrecht, der den Marsch und bioethische Fachtagungen organisiert, den größten deutschen Lebensrechtsverein Aktion Lebensrecht für Alle und vitaL, ein Notrufprojekt für Schwangere im Konflikt, wo über 15 ehrenamtliche Beraterinnen Tag und Nacht per Telefon und Email zur Verfügung stehen.
Ich wollte mich damals, als Studentin, politisch und gesellschaftlich engagieren und bin dabei „zufällig“ in die Lebensrechtsbewegung geraten. Zurzeit ist das eine ehrenamtliche Halbtagsstelle, aber wir haben ja auch große Ziele: Wir möchten Abtreibung abschaffen, Euthanasie abschaffen, die Selektion von Kindern mit Behinderungen abschaffen und eine Gesellschaft, in der die Würde jedes Menschen ernstgenommen und geschützt wird.
Menschenrecht geht nur ganz. Wenn ich bestimmten Menschen das Lebensrecht abspreche, ist das auch für andere Gruppen von Menschen gefährlich. Konsequenterweise muss man das Leben von der Zeugung bis zum Tod, vom Anfang bis zum Ende, schützen und verteidigen. Die Kleinstkinder sind absolut unschuldig und nicht in der Lage, sich selbst zu helfen – deshalb sehe ich das als eine unserer Aufgaben an. Unser Ziel in der Konfliktberatung ist es, dass die Mutter mit der Situation leben und das Beste daraus machen kann, ohne dass ihr Kind sterben muss. Unter einer Abtreibung leidet übrigens auch die Mutter und sie schadet ihr – körperlich wie psychisch. Kinder bedeuten Zukunft, Hoffnung, Leben. Wir wollen in der Gesellschaft dieses Denken neu ins Bewusstsein bringen, denn momentan steht der Begriff „Kind“ eher für Last, Bedrohung und Probleme.
Die Würde des Menschen in aller Konsequenz, Gerechtigkeit, Caritas, Mut, Tapferkeit.
Mein Mann steht voll zu meinem Engagement, sonst würde ich das nicht machen. Mit den Kindern gibt es fruchtbare Diskussionen und sie respektieren es. Der weitere Familienkreis ist gespalten. Meine Freunde sind entweder selbst dabei oder sehen es anders, auch hier wird gerne und gut diskutiert. Beruflich kommt es vor, dass ich von bestimmten Firmen keine Aufträge mehr bekomme. Andere wiederum geben mir besonders gerne Aufträge, weil sie mein Engagement kennen – insgesamt ein sehr vielfältiges Bild…
Nein. Inzwischen haben wir vom wenige Wochen alten Baby bis zum knapp Hundertjährigen alle Altersklassen dabei. Auffällig ist, dass immer mehr Jugendliche, junge Erwachsene und junge Familien sich anschließen, worüber wir uns besonders freuen. Denn es geht ja um unsere Zukunft.
Natürlich! Es ist zunächst einmal eine politische, demokratische Demonstration, der sich jeder anschließen kann. Neben anderen Religionen (Juden, Moslems) sind immer wieder auch Menschen dabei, die mit Religion nicht viel anfangen können, denen aber aus rationalen Gründen eine wirklich humane (nicht humanistische!) Gesellschaft wichtig ist.
Kontakt kann man nicht sagen. Aufgrund der unglaublich aggressiven Verhaltensweise der Gegendemonstranten war es leider notwendig, sie weiträumig abschirmen zu lassen, um unsere Teilnehmer nicht zu gefährden – im letzten Jahr brauchte es dafür neun Hundertschaften der Polizei, die diese harte Arbeit mit Bravour meisterte. Daher hört man das unflätige Gebrüll eher von weitem. Als sie uns früher räumlich näher waren, reagierten wir auf ihre Beschimpfungen in der Regel mit einem freundlichen Lächeln. Hass mit Hass bekämpfen führt nur zu weiterem Hass.
Nein, denn da geht es nicht um Argumente, Wissenschaft oder Logik, sondern um Desinformation, Sprücheklopfen und/oder Ideologie. „Mein Bauch gehört mir“ ist in dem Moment Unsinn, in dem es sich nicht um einen Blinddarm handelt (der ist tatsächlich Bestandteil des eigenen Körpers), sondern um ein Kind mit eigenem Blutkreislauf, eigenem Herzen, eigenem Immunsystem etc. Und wie ernst soll man Sprüche nehmen wie „Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat“ oder „Hätt Maria abgetrieben, wärt Ihr uns erspart geblieben“? Ernsthafte Diskussionen kann man mit diesen Menschen leider nicht führen, dabei finde ich solche Diskussionen spannend und wichtig. Wir jedenfalls stehen dafür immer bereit.
Zum Glück gibt es zahllose Möglichkeiten, sich sachlich, kompetent und respektvoll beraten zu lassen. In einem Schwangerschaftskonflikt kann man ein wenig in Panik sein und muss die Gedanken sortieren. Dabei hilft eine gute Beratung. Gute Beratungsstellen nehmen die Frau mit ihrer Situation und ihren Problemen in den Mittelpunkt, ohne das Kind zu vergessen. Ob vitaL, Kaleb, ALfA oder andere freie Beratungsstellen: Alle arbeiten mit viel Herzblut für Mutter und Kind und finden gemeinsam mit der Frau Lösungen für die Probleme. Man kann alle diese Stellen leicht im Internet finden; es gibt anonyme, kostenlose Telefonberatung (z.B. 0800/36 999 63), Beratung per Mail (z.B. www.abtreibung.de) und vieles mehr. Dabei ist die moderne Technik eine große Hilfe, die Frauen genau in dem Moment erreichen zu können, in dem sie in diesen Konflikt geraten.
Naturgemäß sind natürlich überwiegend Christen unter den Lebensrechtlern – wir vernetzen Lebensrechtler, also gleichzeitig auch Christen. Dazu nutzen wir Veranstaltungen, soziale Medien, persönliche Kontakte, Zeitschriften, Kundgebungen und vieles mehr, aber wie gesagt, unter dem „Lebensrechtslabel“. Die Szene ist sehr groß und wenn man die Leute einmal kennengelernt hat, kann man sie immer ansprechen und es entwickelt sich vieles daraus. Der Marsch für das Leben ist für unsere Bewegung wirklich auch so eine Art jährliches Familientreffen.
Ein sehr guter Ratschlag! Wenn Sie zum Marsch für das Leben fahren, werden sie auf tausende von positiv gestimmten Gleichgesinnten in einer energiegeladenen und im guten Sinne kämpferischen Atmosphäre treffen – eine wunderbare Voraussetzung, um sich näher kennenzulernen. Mit Sicherheit wurden dort schon zahllose neue Kontakte und möglicherweise auch engere Beziehungen geknüpft. Solche Rückmeldungen erhalten wir ständig: „Erinnerst Du Dich, wir haben uns letztes Jahr in Berlin kennengelernt! Was hältst Du davon, wenn...?“
Wir können ja einen „Deal“ machen, wie man das heute so schön nennt: Ihre Singles kommen zum Marsch für das Leben am Samstag, dem 22.09.2018 nach Berlin, und das erste Ehepaar, das sich dort kennen- und lieben gelernt hat, kommt bei der Kundgebung auf die Bühne, versprochen!
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